Am vierten Tag unseres Kurzurlaubs am Brienzersee haben wir einen weiteren Ausflug nach Meiringen gemacht, denn am 4. Mai jährt sich die Geschichte um Sherlock Holmes‘ vermeintlichen Tod am Reichenbachfall und an diesem Tag beginnt jedes Jahr auch die Saison der Reichenbachbahn. Zur Feier des Tages galt für alle der Kindertarif.
Wir hatten uns am Bahnhof in Brienz bereits ein Kombiticket für die Reichenbachfall-Bahn und die Aareschlucht gekauft und sind mit der Zentralbahn von Brienz nach Meiringen gefahren.
Dort ging es zu Fuss durch den Ort bis zur Talstation der Reichenbachfall-Bahn.
Man hat hier zahlreiche Wandermöglichkeiten zur Auswahl.
Unser erstes Ziel an diesem Tag war also der Reichenbachfall. Wir hatten – im Gegensatz zu unserem ersten Besuch in Meiringen – traumhaftes Wetter.
Blick von Meiringen auf den Reichenbachfall, links darüber das Gasthaus Zwirgi – der schneebedeckte Berg in der Mitte ist die Große Scheidegg.
Der Himmel war wunderbar klar und es sollte der erste sommerliche Tag im Jahr 2023 werden.
Auf dem Weg zur Reichenbachfall-Bahn überqueren wir die Aare.
In unserem Ticket wäre die Berg- und Talfahrt mit der Reichenbachfall-Bahn enthalten gewesen, wir wollten aber bis zum Osteingang der Aareschlucht wandern, und so haben wir nur die Bergfahrt genutzt.
Oben angekommen, kann man sich eine kleine Ausstellung zur Geschichte („Das letzte Problem”) von Sherlock Holmes‘ Kampf mit Professor Moriarty ansehen. Und es gibt ein Fernglas, mit dem man die Stelle des „Absturzes”, die mit einem Stern markiert ist, unter die Lupe nehmen kann.
Der kursiv geschriebene Text ist den Bildtafeln vor dem Sherlock Holmes Museum in Meiringen entnommen:
Sherlock Holmes – Das letzte Problem
Wir schreiben das Jahr 1891. Nach monatelangem Zusammentragen von Beweisen ist Sherlock Holmes kurz davor, das Netz um den verbrecherischen Genius Professor James Moriarty, den Napoleon des Verbrechens, zu ziehen. Holmes wird Opfer von tätlichen Angriffen und Drohungen. Er beschliesst, zusammen mit seinem Freund Dr. John Watson London zu verlassen.
Die Reise auf den Kontinent
Per Bahn reisen Holmes und Watson von der Victoria Station in London nach Newhaven und setzen mit einem Dampfer nach Frankreich über. Mit der Bahn geht es weiter nach Genf. In der Schweiz wandern sie eine bezaubernde Woche lang das Rhone-Tal hinauf und gehen so über den Gemmi-Pass und Interlaken nach Meiringen.
Die Gefahr folgt Holmes und Watson
Holmes glaubt, dass sie von Moriartys Bande beschattet werden. Als sie den Gemmi-Pass überqueren, entkommen sie nur knapp einem grossen Felsbrocken, der auf mysterische Weise hinter ihnen in den Daubensee donnert.
Der „Englischer Hof” in Meiringen
Am 3. Mai 1891 erreichen Holmes und Watson Meiringen, wo sie im «Englischen Hof» absteigen (heute das Park Hotel Sauvage). Am nächsten Tag machen sie sich auf den Weg nach Rosenlaui – auf Rat des Hoteliers mit einem Umweg über die Reichenbachfälle.
Nachdem wir uns die Ausstellung angesehen hatten, sind wir auf Treppen an Felsen entlang und über Waldwege nach oben gestiegen.
Zweiblütiges Veilchen (Viola biflora), auch Gelbes Veilchen oder Gelbes Bergveilchen genannt
Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina)
Das Haus, welches man in der Mitte über dem Reichenbachfall (843 m.ü.M) sieht, ist das Gasthaus Zwirgi, zu dem wir anschliessend aufgestiegen sind.
Beim Gasthaus Zwirgi (974 m.ü.M.) angekommen, hatten wir uns wirklich eine kleine Erfrischung verdient…
Die Markgräflerin hatte auf der Karte einen „Sherlock Holmes Drink“ entdeckt – eine hausgemachte Zitronenlimonade mit Ingwer, die zusammen mit Earl Grey Shortbread (ebenfalls hausgemacht) serviert wird. Das musste natürlich probiert werden – köstlich! Die Limonade wird wahlweise auch zusammen mit einem Gläschen Appenzeller Gin 27 serviert, worauf ich angesichts der Wanderstrecke, die noch vor uns lag, lieber verzichtet habe.
Die Speisekarte des Gasthaus Zwirgi klang auch sehr vielversprechend, ein Mittagessen hätte uns aber zu viel Zeit gekostet und ausserdem hatten wir noch ein Vesper dabei.
Wir haben die Aussicht auf der Terrasse ins Tal genossen. Man sitzt und fühlt sich dort – nur durch eine Bande aus Glas, die die Terrasse umschließt getrennt – wie direkt über dem Abgrund.
Dann sind wir wieder bergab in Richtung Aareschlucht gewandert, mit einem kleinen Abstecher zur Sherlock Homes „Absturzstelle”. Erst geht es über einen steil abfallenden Weg mit großen Steinen – Wanderstöcke sind zu empfehlen – und dann zweigt ein kleiner, stellenweise sehr schmaler Weg ab zur Absturzstelle – teilweise ist der kleine Pfad auch nass und etwas rutschig. Bei Regenwetter nicht unbedingt zu empfehlen.
Ein letzter Blick auf Sherlock Holmes
Am 4. Mai 1891 steigen Holmes und Watson hoch zu den Reichenbachfällen. Nahe den Wasserfällen läuft ein junger Schweizer mit einem Brief auf sie zu. Dr. Watson ist aufgefordert, einer kranken englischen Dame zu helfen, die eben angereist ist. Als der gute Doktor sich fortwendet, sieht er Holmes zum letzten Mal.
Ein letztes Grusswort von Sherlock Holmes
Zurück in Meiringen muss Watson bestürzt erfahren, dass sich dort keine kranke Engländerin aufhält – er ist hinters Licht geführt worden. Er eilt zurück an die Reichenbachfälle, doch er findet nur Holmes‘ Zigarettenetui, seinen Bergstock und ein letztes handschriftliches Grusswort. Von Holmes und Moriarty ist nichts zu sehen.
Der Todeskampf an den Reichenbachfällen
Watson deduziert, dass Holmes und Moriarty in einem Handgemenge am Rand er Reichenbachfälle, einer den andern umklammert haltend, in den Abgrund hinuntergetaumelt sein müssen. Watson hält fest: «Tief unten in jenem schrecklichen Kessel voll wirbelndem Wasser und brodelndem Schaum werden sie für alle Zeiten ruhen: der gefährlichste Verbrecher einer Generation und ihr vornehmster Streiter für dass Recht».
Die Rückkehr des Sherlock Holmes
1894 – drei Jahre später – gibt sich in London ein alter Buchhändler als Sherlock Holmes zu erkennen. Watson fällt vor Überraschung in Ohnmacht. Holmes erklärt, dass im Zweikampf an den Reichenbachfällen nur Moriarty zu Tode gekommen ist. Holmes bereiste in derZwischenzeit Tibet und Arabien und bildete sich in Frankreich weiter. Er hat auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, nach Hause zurückzukehren. Die alten Freunde setzen ihre Abenteuer von der Wohnung in 221B Baker Street aus fort.
Die Rätsel der Natur
Nach vielen weiteren gelösten Fällen gibt Sherlock Holmes seine Tätigkeit als beratender Detektiv auf und setzt sich in Sussex zur Ruhe, um sich der Bienenzucht zu widmen. Er beschäftigt sich vornehmlich mit den Problemen, vor welche die Natur uns stellt – wie er es angekündigt hat, als er und Watson in den Schweizer Bergen weilten.
Für uns geht es wieder zurück zum Steinpfad und weiter bergab, an riesigen, moosbewachsenen Steinen vorbei. Wir begegnen unterwegs kaum jemandem. Der Wald wirkt riesig und auch ein wenig mystisch und wie verzaubert.
Finger-Zahnwurz (Cardamine pentaphyllos)
Wir treten aus dem Wald heraus und es geht weiter über saftige Wiesen mit grandiosen Blicken auf die Bergwelt.
Geissholz ist geprägt von der Landwirtschaft, aber auch vom sanften Tourismus. Vereinzelt findet man kleine Chalets und Ferienwohnungen, die man mieten kann. Es gibt Alpkäse zu kaufen und es wird Schafwolle produziert.
Dann müssen wir wieder ein kleines Stück bergauf.
Das Restaurant Lammi hätte sich für eine Einkehr angeboten, war aber leider an diesem Tag geschlossen.
Also ging es weiter zum Osteingang der Aareschlucht. Da die Saison erst etwas später im Mai beginnt, war die Aareschlucht von der Ostseite her noch gesperrt. Wir haben uns erst einmal im Schatten eines kleinen Rastplatzes zum Picknick niedergelassen, wo das mitgebrachte Vesper verspeist wurde, bevor wir mit der Bahn durch ein Tunnel im Felsen zum Westeingang fahren konnten. Das mutet fast an, wie ein geheimer Zugang in einem James Bond Film – man drückt einen Knopf um dem Zugführer zu signalisieren, dass man mitfahren möchte. Ist die Bahn an der Station angekommen – Simsalabim – öffnen sich Türen, die den Zugang in den Felsen zum Bahnsteig ermöglichen.
Ankunft am Bahnhof beim Westeingang zur Aareschlucht
Wir müssen von dort noch ein paar hundert Meter wandern, eine Fussgängerbrücke führt über die Aare, dann geht es an der Aare entlang bis zum Westeingang der Aareschlucht.
Fortsetzung folgt…
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