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Auf der Suche nach dem Geheimnis der Ruhwaie

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Markgräfler Ruhwaie (Rahmwaie)

Zum meinem tausendsten Blogpost-Jubiläum hatte ich schon einmal über drei typische Waie aus dem Markgräflerland berichtet.

Dreierlei Waie1
Aber neulich hatte mich dann eine meiner treuen Blog-Leserinnen wiederholt auf die Ruhwaie angesprochen, die sie von ihrer Kindheit kennt und nach deren Rezept sie schon ewig sucht.

Ich dachte immer, es sei die Markgräfler Art, einen Flammkuchen zu backen und hatte es fast schon vergessen, bis ich etwa eine Woche später ganz zufällig auf der Speisekarte der Bruckmühle in Wollbach bei Kandern eine Ruuwaie entdeckte.

Ruuwaie Bruckmühle1

Wir waren das erste Mal dort und wollten einen Kaffee trinken und Kuchen essen – das war vergangenen Samstag.

Himmelstorte Bruckmühle – schon halb aufgegessen…

Natürlich habe ich gleich gefragt, wer denn die tollen Kuchen und die Waien bäckt  – und habe dann nach der Zubereitung der Ruhwaie gefragt.  Das „Ruh” – kommt vom Rahm – der Sahne, wobei es sich hier um Sauerrahm handelt. Das wusste ich schon aus anderen Gesprächen – und zwar muss es ein Sauerrahm mit 20% Fett sein, und den gibt es bei uns nur von „Schwarzwaldmilch”.

Grundlage ist ein Brotteig – denn am Freitag wird in der Bruckmühle immer Brot gebacken, und dann gibt es aus dem gleichen Teig auch noch Ziebelewaie, Käsewaie und Ruhwaie.
Obendrauf sind Speckwürfel oder Streifen und gewürzt wird nur mit Salz und Pfeffer, soviel wusste ich. Von der Bruckmühlen- Bäckerin habe ich dann noch die Details erfahren:  „Ich machhalt ä Bäbble mit Mählohni wird des nüt…

Stimmt eigentlich, dachte ich – sonst wird der Sauerrahm vielleicht nicht richtig fest und durchweicht womöglich noch den Teig.

Bäbble, das ist der Waieguss bzw. eine Mehlschwitze, die mit etwas Wasser gekocht wird, dann wird nach und nach der Sauerrahm untergerührt und zum Schluss würzt man den Guss mit Salz und Pfeffer.

Und dann ging die Waie-Bäckerin in die Küche um nachzusehen, ob vom Vortag noch was übrig war  – und kam mit einem Probierteller zurück:

Ruuwaie Bruckmühle
Ruhwaie in der Bruckmühle in Kandern-Wollbach

Die Ruhwaie in der Bruckmühle ist fast so dünn wie Flammkuchen – mir wurde aber von einer etwas höheren Waie erzählt… Also habe ich gebacken und das Ergebnis bzw. das gesuchte Rezept für eine Ruhwaie aufgeschrieben, um es nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen.

Baebble Waie1Mehlschwitze / Bäbble

1 Esslöffel Butter (ca. 50 g)

2 Esslöffel Mehl (ca. 50 g)
1-2 Tasse kaltes (!) Wasser

3 Becher Sauerrahm à 200 g = 600 g (20% Fett)

Foto: http://freiburg.schwarzwaldmilch.de

Butter in einem Topf zerlassen, das Mehl einrühren, dann das Wasser nach und nach mit dem Schneebesen einrühren, bis eine glatte Masse entsteht. Die Hitze reduzieren und  jeden Becher Sauerrahm einzeln damit verrühren. Mit Salz und schwarzem Pfeffer aus der Mühle würzen. Mit dem Salz vorsichtig sein, der Speck, der später noch auf die Waie kommt ist auch salzig….

Brot- oder Pizza-Teig mit Olivenöl, wie ich ihn mache:
(für drei Waien)

25 g frische Hefe
300 ml lauwarmes Wasser
50 ml Olivenöl
2 Esslöffel flüssiger Honig
1 Esslöffel grobes Meersalz
etwa 330 g helles Dinkelmehl (Type 630)
etwa 170 g feines Hartweizenmehl (Pasta- oder Pizzamehl)
+ Mehl zum Auswellen

Hefe in eine große Schüssel bröckeln, lauwarmes Wasser, Olivenöl und Honig hinzugeben und die Hefe darin auflösen. Salz und Mehl untermischen, einarbeiten und kräftig kneten. (Für mich übernimmt das der Knethaken der Küchenmaschine).
Kneten, bis sich der Teig vom Schüsselrand löst, bei Bedarf noch etwas Wasser oder Pastamehl unterarbeiten.

Zugedeckt ca. 45 – 60 Minuten gehen lassen. Teig von Hand kräftig durchkneten, in drei Portionen teilen.

Den Teig etwas größer als die Form ausrollen, eine Waieform mit Ø 30 cm mit Butter einfetten und mit dem Teig auslegen – einen Rand hochziehen.

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Leicht mit Öl (ich habe Olivenöl verwendet) bestreichen, dann das Bäbble / den Sauerrahmguss darauf verteilen.

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Von ca. 100 g Speck (mit Schwarte gewogen) die Schwarte dünn abschneiden, dann den Speck mit einem scharfen Messer in kleine Würfelchen oder feine Streifen schneiden und auf dem Guss verteilen.

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Ca. 30 Minuten bei 220 °C backen, bis der Teig hell gebräunt ist.

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Aus dem Ofen nehmen, etwas abkühlen lassen (ich hatte die Waie zu früh angeschnitten, wie man sieht zerläuft der Guss leicht) – die Waie lässt sich dann besser schneiden.

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Der Markgräfler fand, die Waie sei zu dick – wer sie dünner mag, so wie die von der Bruckmühle, nimmt nur ein bis zwei Becher Sauerrahm.

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Ich habe am nächsten Tag ein Stück für die Mittagspause mitgenommen und warm gemacht – da war der Guss fester und sah schöner aus. Ganz lecker auch mit einem grünen Salat…. Herrlich – nun fehlt nur noch ein Glas „Neue Wii” (Neuer Wein/Federweisser) und die Waie-Saison kann beginnen!!!

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Blog-Beitrag Nr. 1000 – Dreierlei Waie aus dem Markgräflerland

Dreierlei Waie1
Das ist also mein Blog-Beitrag Nr. 1000! Und heute Morgen hat irgendjemand auch noch den 200.000 en Klick getan.
Ein herzliches Dankeschön an alle Leser meines Blogs und für die vielen netten Kommentare auch per Mail und auf FB.

Hierfür sollte es heute dann schon etwas besonderes geben und deshalb habe ich mir auch etwas spezielles überlegt.

Neulich kam per E-Mail eine Anfrage von einer Journalistin, die ein Buch über das Markgräflerland schreiben möchte. Dabei hat sie sich die Frage gestellt, wie eigentlich die Scharwaie entstanden ist, und wer auf die Idee kam, die Waie rautenförmig einzuschneiden, mit Öl zu bestreichen und mit Salz zu bestreuen.

Ratlosigkeit bei allen Markgräflern, die ich befragt habe und bei denen ich dachte, sie könnten noch etwas von Früher erzählen. „Ja, das hat man halt so gemacht….” war meist die Antwort.

Klar war allen, dass es sich um Brotteig-Reste handelt, die man zusammen-„gescharrt” hatte und die man dann eben mit etwas Öl bestrichen und mit Salz bestreut hatte. Eine Erklärung wäre vielleicht, dass man diese Vertiefungen in den Teig gemacht hatte, um das Brot besser teilen zu können, oder damit das Öl, mit dem man die Waie bestrichen hatte nicht herunter- sondern ins Gebäck laufen konnte.
Ich meine, man kann hier durchaus die italienische Variante der Focaccia erkennen – also, wo soll es schon herkommen???

Möglicherweise ist die Scharwaie ebenso wie der Wein ein köstliches Überbleibsel aus der Zeit, als die Römer sich im Markgräflerland niedergelassen hatten.
Spuren der Römer findet man im Markgräflerland überall, z. B. nicht allzu tief unter einem Acker auf der Gemarkung Auggen, oder in Badenweiler und Heitersheim, wo die Funde freigelegt und für Interessierte zugänglich gemacht wurden. Wer möchte, kann das Gebiet auf dem Markgräfler Römerweg erwandern oder mit dem Fahrrad erkunden.

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klassische Scharwaie

Mal sehen, was Wikipedia dazu sagt:

(…) Die Wähe dürfte ihren Ursprung im schweizerischen Mittelland haben. Die erste urkundliche Erwähnung des Begriffs «wäye» stammt aus dem Jahr 1556. Sie wird in einem Zürcher Sprachlexikon als «Fladen oder Kuchen» beschrieben. Entstanden ist die Wähe in der Hausbäckerei. Gemäss Albert Spycher wurden Teigreste verwendet, die beim Brotbacken in der Teigschüssel blieben. Man „wallte (…) die so gewonnen Brotteigreste zu dünnen Fladen und drückte den Teigrand zu einem Wulst zusammen, damit der Belag nicht auslaufen konnte“. Belegt wurden sie dann mit denjenigen Dingen, die gerade im Haushalt aufzufinden waren. Es kamen Früchte wie Gemüse in Frage und deshalb lässt sich die Geschichte der salzigen und der süssen Wähe nicht trennen (….)

Was Wikipedia da zu den Wähen bzw. Waien, wie sie im Markgräflerland genannt werden schreibt, ist auch das, was ich von einigen Leuten, die ich gefragt hatte, gehört habe: Im Markgräflerland bzw. Müllheim und Umgebung hat man die Scharwaie zwar gekannt und gebacken, aber meistens wurde einfach auf die Teigreste das gelegt, was man gerade hatte.

Wer Schweine und Speck hatte, legte in dünne Streifen geschnittenen, gut durchwachsenen Speck darauf = Speckwaie.
Hatte man Rahm, d. h. Sahne (der noch von Hand abgeschöpft wurde, viel dicker als der heutige war und manchmal leicht säuerlich geschmeckt hatte) formte man einen Rand und gab Rahm und Zucker auf die Waie, die auch Judekueche (Judenkuchen) genannt wurde – nennen wir ihn der political correctness halber einfach mal Rahmwaie. Das beste daran waren natürlich immer die Stellen der Waie, die knusprig-braun karamellisiert waren.
Woher die Bezeichnung Judekueche kam, konnte mir auch niemand sagen….
Und wenn es frisches Obst gab, wie z. B. Zwetschgen, Mirabellen, Äpfel, hat man die Waie damit belegt.
Manch einer sagt, man habe die Waien vor dem Brot gebacken, um zu testen, ob schon die richtige Back-Temperatur erreicht war – andere sagen, man hat die Waie in der Resthitze gebacken, weil diese noch für die flachen Teigstücke ausreichend war (was ich wahrscheinlicher finde).

Wie auch immer, hier kommen die Rezepte. Um es ganz authentisch zu machen, könnte man sich auch einen Bauernbrot-Teig beim Bäcker besorgen (vorbestellen). Ich habe die Foccaccia-Teig Variante mit etwas Olivenöl vorgezogen, das schmeckt ein wenig würziger, man kann das Öl aber auch weglassen und etwas mehr Wasser nehmen. Ausserdem habe ich Dinkelmehl (Type 630) zu 2/3 und zu 1/3 fein gemahlenes Hartweizenmehl (z. B. Pizza- oder Pastamehl) verwendet. Ich backe auf einem Schamottstein (Pizzastein), der etwa eine Stunde vorher im Backofen bei voller Temperatur aufgeheizt werden muss (nach 45 Minuten stellt man ein Blech mit Wasser unter den Stein) – während dieser Zeit kann der Teig wunderbar aufgehen. Dann wird die Temperatur reduziert – ich habe eine Pizza-Backfunktion mit Unterhitze und Umluft, die ist bei 180 – 200 °C perfekt). Wer keinen Pizzastein hat, bäckt auf dem Blech mit vorgeheizten 225 °C.

Klassischer Brotteig:

500 g Mehl (Weizenmehl Type 550)
1/2 Würfel Frischhefe (21 g)
etwa 300 ml lauwarmes Wasser
15 g Zucker oder flüssiger Honig
15 g Salz

Focaccia-Teig mit Olivenöl, wie ich ihn mache:
(für drei Waien)

25 g frische Hefe
300 ml lauwarmes Wasser
50 ml Olivenöl
2 Esslöffel flüssiger Honig
1 Esslöffel grobes Meersalz
etwa 330 g helles Dinkelmehl (Type 630)
etwa 170 g feines Hartweizenmehl (Pasta- oder Pizzamehl)
+ Mehl zum Auswellen

Hefe in eine große Schüssel bröckeln, lauwarmes Wasser, Olivenöl und Honig hinzugeben und die Hefe darin auflösen. Salz und Mehl untermischen, einarbeiten und kräftig kneten. (Für mich übernimmt das der Knethaken der Küchenmaschine).
Kneten, bis sich der Teig vom Schüsselrand löst, bei Bedarf noch etwas Wasser oder Pastamehl unterarbeiten.

Zugedeckt ca. 45 – 60 Minuten gehen lassen. Teig von Hand kräftig durchkneten, in drei Portionen teilen.

Speckwaie

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Für die Speckwaie von einem Stück geräucherten, gut durchwachsenen (Schwarzwälder) Vesperspeck die Schwarte abschneiden, zuerst längs in dünne Scheiben, dann quer in dünne Streifen schneiden. Den Teig dünn auf bemehlter Arbeitsfläche auswellen – auf eine perfekte, runde Form kommt es hier ganz bestimmt nicht an – auf den Holzschieber legen (vorher mit etwas Pastamehl bestreuen)  und den Teigfladen üppig mit Speckstreifen belegen. In den Ofen schieben und so lange backen, bis der Speck knusprig, und die Ränder leicht gebräunt sind. (etwa 10-15 Minuten)

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In Stücke schneiden und mit einem Glas Gutedel (oder Neuer Wein – sobald es wieder gibt) genießen.

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Rahmwaie (Judekueche)

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Teig wie oben beschrieben auswellen, dann aber einen Rand bilden, damit der Rahm nicht herauslaufen kann. Zuerst auf den Pizzastein schieben, dann mit Rahm begießen und üppig mit braunem Zucker bestreuen. (Je nach Größe ca. 1 Becher süße Sahne -Rahm, und mehrere Esslöffel Zucker). Backen, bis der Zucker karamellisiert ist.Dreierlei Waie8

Meine Mutter hat diese Waie immer in einem Waieblech mit Rand gebacken, weill die Sahne schnell über den Rand läuft. Wie schon gesagt, der Rahm war früher dicker. Wer mag, kann auch einmal dicke, gezuckerte Kondensmilch verwenden, das geht auch, karamellisiert aber nicht so schön. Da kann man dann höchstens noch ein wenig mit einem Bunsenbrenner (Crème brulée) nachhelfen.

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Zwetschgewaie

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Für die Zwetschgewaie den Teig wie beim Rahmwaie mit Rand vorbereiten.

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Die Zwetschgen waschen, längs halbieren, die Kerne entfernen. Dann jede Hälfte an der Spitze längs ein wenig einschneiden.
Den Teig wieder im Ofen belegen, dick mit Zimtzucker bestreuen und backen, bis der Rand leicht gebräunt ist.

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So, und das ist unser heutiger Sonntagskuchen… Vielleicht gibt es noch ein wenig geschlagenen Rahm dazu.
Selbstverständlich kann man auch hier noch ein wenig kreativ sein und zusätzlich feine Butterstreusel auf die Zwetschgen geben. Da hätte ich  noch ein Rezept für einen Zwetschgen-Streuselkuchen mit Quark-Ölteig (auch sehr zu empfehlen).